Der helle Planet 'Iniriaole', Seelen - Das eigentliche Sein Band 2 - Astrid Unger
 

Paedrig zeigt Aana die schöne, neue Welt und noch vieles mehr. Nachdem ihr zuvor viel Leid widerfuhr ist das Balsam für ihre Seele. Beide entdecken Liebe füreinander, genießen ihr Seelen-Dasein und denken an nichts Böses...

 

*** Dieses Buch ist eine Fortsetzung von: „Der schwarze Planet 'Ampledusia', Seelen - Das eigentliche Sein Band 1“. Aber ich schrieb es

so, dass man es auch verstehen kann, ohne den Vorgänger gelesen zu haben. ***

 

Paedrig zeigt Aana die helle, neue Welt und noch vieles mehr. Dies ist soviel schöner, als das was sie zuvor sah und erlebte. Durch ihn lernt sie Seelenliebe richtig kennen. Mit Awan verbindet Sie eine tiefe Verbundenheit. Aber sie muss Stück für Stück verstehen, dass er nicht das ist, was sie voller Hoffnung glaubt ... und auch in ihr viel mehr steckt, als sie sich selber eingestehen will.

 

 

Leseprobe

Kapitel 1

 

Paedrig hält mir seine Hand entgegen, das Blau seiner Augen erhellt meine Seele. Ich sehe kurz zu Awan, er schaut nachdenklich auf den Boden. Als unsere Hände sich berühren rast Wärme durch mich hindurch. Die letzten Schmerzen, die durch Abial verursacht worden sind, verschwinden.

Als wir die Bleibe von Awan verlassen, laufen wir wieder durch das Akati, das direkt vor der Tür von Awan ist. Mit meiner freien Hand schütze ich meine Augen. Der Planet ist so hell, ich muss mich erst daran gewöhnen.

Dieses Akati ist wunderschön. Unzählige Nulirie oder Bäume – wie mir Paedrig zuvor erklärte – schmücken ihn in allen Grüntönen und er ist gefüllt von vielen Seelen. Einige sitzen auf breiten Stühlen, drehen sich zu mir um und schauen abwertend. Warum mögen Sie meine schwarzen Kristalle in den Augen nicht? Sie sind doch trotzdem so blau wie ihre? Ich verstehe es nicht und werde dadurch unsicher. Es stört mich sehr und ich möchte am liebsten wieder zurück gehen. Doch dann sehe ich zu Paedrig. Seine Anwesenheit lässt all diese schlechten Gefühle wieder verschwinden. Ich weiß noch nicht so recht, was ich mit ihm reden soll. Warum macht er das überhaupt für mich?

„Die Bäume sind so schön grün“, sage ich vorsichtig.

„Kalugne! Grün ist ein Wort, welches auf anderen Planeten benutzt wird. Es gibt so viele verschiedene Sprachen, am leichtesten wäre die Seelensprache, aber die kannst du leider nicht.“

„Warum eigentlich nicht? Was spreche ich dann?“

„Für die Seelensprache bräuchtest du deinen Mund nicht. Abial hat sie dir nicht beigebracht, also musst du sie alleine lernen. Du sprichst die Sprache, die er spricht und viele andere auch. Sie ähnelt meiner sehr, nur einige Wörter sind anders. Deshalb sage ich sie dir, damit du auch diese lernst. Umso mehr du kennst, umso besser kommst du auf allen Planeten zurecht.“

Ich sehe nach unten und beobachte, wie meine schwarze Bekleidung – die meine Haut bedeckt – ihre Farbe wechselt. „Was passiert damit?“

„Sie passt sich diesem Planeten an.“

„Ich habe nie verstanden, wozu ich sie wirklich brauche. Bei Abial war sie unnütz.“

„Sie ist wie deine zweite Haut, sie schützt deine Seele noch mehr.“ Darüber schüttle ich den Kopf und versuche die schlechten Gedanken wegzuschieben, die aufkommen wollen. Wir laufen weiter. Es ist so ungewohnt, ich genieße seine Gegenwart, die traumhafte Atmosphäre. Ich sehe nach oben in den weißen Himmel. Ein großer, gelber Mond leuchtet in ihm, aber die unzähligen Sterne fehlen. Ich bleibe stehen, um es mir genauer anzusehen.

„Das ist unsere Jiole oder Sonne.“

„Jiole? Ich dachte, es wäre ein Mond!“

„Nein, so etwas gibt es auf diesem Planeten nicht.“ Er beginnt mir alles zu erklären … das Universum … Ich verstehe viele seiner Worte nicht, aber seine Stimme klingt dabei so schön, ich genieße mein neu entdecktes Glücksgefühl. Er lacht: „Hörst du mir eigentlich zu?“ Dabei entsteht ein besonderes Lächeln – ich schüttle ehrlich mit dem Kopf.

„Ich bin bei deinen ersten Worten schon nicht mehr mitgekommen. Die Jiole ist schön. Sie macht, dass der Planet so hell ist?“ Voller Liebe lächle ich ihn dabei an.

„Auch … so ähnlich. Eigentlich strahlt er von innen. Lassen wir das Thema lieber.“ Wir laufen weiter, Hand in Hand. Ich sehe zu den verschiedenen Gebilden, die den Bäumen ähneln. Sie haben blaue Zipfel und um sie herum stehen viele Seelen. Sie reden mit ihnen und nehmen dabei die Zipfel in die Hand. Eine hohe Lichtsäule schwebt plötzlich an uns vorbei. Dieser Anblick ist so außerordentlich und bekommt mein vollstes Interesse.

„Was ist das? Licht?“, frage ich lauter als gewollt. Daraufhin dreht sich diese Säule zu uns um und mustert mich mit einem grünen Auge, welches sich durch die Masse bewegt.

Dann wandert das Auge in Paedrig`s Richtung. „Kannst du es ihr bitte kurz zeigen?“ 

Die Lichtsäule wird kleiner, bekommt einen Körper und sieht aus wie wir. „Das ist Energie Aana, kein Licht. Wir alle sind überwiegend Energie, jede Seele, viele sind miteinander verbunden.“ Die Frau lächelt und geht wieder zu einer hellen Säule hoch. Gebannt schaue ich diesem Spektakel zu.

„Wie verbunden?“

„Ein Band, das zwei Seelen miteinander verbindet. Manchmal auch mehrere … das ist unterschiedlich. Dafür gibt es viele Varianten, denn es kann durch unterschiedliche Situationen entstehen. Bei jeder Erschaffung bildet sich ein Band. Ich habe es mit Oronje und Raskar.“

„Dann habe ich eins mit Abial?“

Er nickt. „Ihr seid dadurch auf ewig verbunden. Durch Liebe kann auch noch ein Band entstehen. Ich habe das von Oronje gesehen, was sie zu Raskar hat. Es ist ein faszinierender Anblick. Man sieht es aber nur, wenn man es wirklich will.“

„Was hat es für einen Sinn?“

„Man kann sich dadurch nicht verlieren, ist für immer eins.“

„Kann dieses Band getrennt werden? Ich möchte keins mit Abial haben. Ich habe Angst, dass er plötzlich vor mir auftaucht und mich wieder mitnimmt.“

Er schüttelt den Kopf. „Nein, man kann dieses Band nicht lösen. Und er kommt auch nicht mehr wieder.“

„Woher willst du das wissen?“

„Warum sollte er? Er hat dich gehen lassen, es war ein Absprache zwischen ihm und Awan.“

„Das werde ich wahrscheinlich nie verstehen. Ich kann mich überhaupt nicht an Awan erinnern … Also, das er auch dort war, er ist für mich fremd.“

„Er war aber bei dir. Abial hat ihn dann hierher geschickt und ich habe ihm geholfen, damit er sich auf diesem Planeten eingewöhnen kann. Ich weiß nicht, was Abial dir danach über ihn erzählt hat, dass du ihn so vergisst.“

„Ich weiß es auch nicht mehr.“ Wir laufen langsam weiter. Die Bäume und auch die anderen Gebilde bewegen sich im Wind. Es ist ein vertrautes, schönes Gefühl, wie er auch meine Haare leicht bewegt. Wir laufen an vielen hohen, farbigen Formen vorbei, sie stehen mitten in dieser schönen Umgebung. „Dort wohnen Seelen?“

„Ja genau, jeder hat seine Bleibe. Viele teilen sie sich auch mit anderen.“

„Dort wo ich vorher war, hatte jeder nur ein Zimmer. Grau und trostlos. Überall waren nur Steine.“ Ich schüttle diesen traurigen Gedanken weg, Paedrig sieht mich mitleidig an.

„Wenn du darüber weiterreden möchtest, kannst du das gerne tun.“ Der Klang seiner Worte ist vorsichtig und unsicher.

„Nein, eigentlich möchte ich das nicht mehr. Nur manchmal kommen Erinnerungen hoch … alte … sehr alte … sie sind wirklich nicht schön.“ Vier kleine Seelen rennen lachend an uns vorbei und reißen mich aus den trüben Gedanken. „So etwas gibt es hier auch? Das ist ja toll.“ Dieser Planet fühlt sich dafür richtig an!

Paedrig lächelt. „Ja natürlich, ich war auch einmal so klein.“

„Ehrlich? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlen muss.“ Die Kleinen spielen miteinander und rollen über den grünen Boden. „Was ist das?“ Ich bücke mich und fasse die Striche an.

„Das ist Renaru oder Gras … kennst du das auch nicht?“

„Nein … noch nie gesehen.“ Ich setze mich auf es. Es ist weich und fühlt sich schön an.

„Stimmt, Awan kannte es auch nicht. Es ist schon so lange her, als er hier ankam und ich ihn alles zeigte.“ Er reißt einen Strich heraus, nimmt ihn in den Mund und kaut darauf rum.

„Warum machst du das?“

„Einfach nur so. Ich habe als Kind schon immer gerne auf Renaruhalmen herum gekaut. Es hat für uns keine Funktion, aber es macht Spaß.“ Ich senke meinen Kopf und bewege ihn hin und her. „Was hast du?“

„Ich weiß nicht … Ich weiß so vieles nicht. Was ist ein Kind?“ Er lacht herzlich und setzt sich neben mich.

„Die vier dort – er zeigt auf die Kleinen – das sind Kinder. So heißen sie auf vielen Planeten.“ Ich lege mir die Hände vor das Gesicht, auch wenn meine Augen sich inzwischen an die Helligkeit gewöhnt haben. Die vielen, neuen Eindrücke überfordern mich.

„Stimmt … Kinder … Kindheit … Ich habe es doch schon einmal gehört, aber wieder vergessen. Meine Erinnerungen sind so lückenhaft. Abial erzählte mir damals einiges aus seiner Kindheit, denn er war auch einmal so klein. Seine Mutter hat ihm alles beigebracht, was er wissen muss. Und sein Vater hat ihm dann gezeigt, wie er in der anderen Welt leben kann…“ Ich schüttle mich bei dem Gedanken daran. „Wie war das bei dir?“

„Er hat sie Mutter und Vater genannt?“ Ich nicke. „Das finde ich merkwürdig! Es ist zwar nicht seelisch, aber jedem das Seine. Hier gibt es die Palotta oder Schule, in der man alles lernen kann.“ Darüber muss ich lachen, Paedrig schaut mich komisch an.

„Ja weißt du, Abial hat so etwas auch immer erzählt. Dass ich dort im Unterricht war, um etwas zu lernen. Das dachte ich auch noch ganz am Anfang, aber dann…“ Ich beginne zu weinen. „…was ich dann sah und erlebte … ich weiß nicht, was das mit lernen zu tun hatte.“

„Jedes lernen ist gut für die Seele, egal welches! Ich weiß, dass es für dich dort sehr schlimm war, Awan hat es mir erzählt.“

„Ich glaube nicht, dass du damit recht hast. Du hast es nicht gefühlt … es kann nichts Gutes daran sein. Mir tut jede Seele leid, die dort noch sein muss. Ich verstehe den Sinn nicht … ich verstand ihn damals schon nicht. Es kann nicht richtig sein. Ach was soll`s, vergessen wir das.“ Ich schüttle den Kopf und wische mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Vergessen solltest du es eigentlich nicht. Das wäre nicht richtig. Deine Seele hat durch diese Erfahrung viel gelernt. Auch wenn du das jetzt nicht erkennen willst.“

„Viel? Sie hat gelernt was ‚Leid’ ist. Ich will nie wieder darüber nachdenken. Das alles tat zu sehr weh.“

„Jede Seele muss auch Leid lernen. Es ist natürlich nicht schön, wenn dies die erste Erfahrung überhaupt wird. Auch das du und Awan dazu gezwungen wurdet. Aber am Ende muss jeder einmal da durch, es gehört dazu!“

„Musstest du es schon?“

„Nein, aber auch meine Zeit wird dafür kommen.“

Ich bewege den Kopf hin und her. „Ich hoffe es nicht für dich. Es ergibt keinen Sinn. Ich glaube, ich habe in der kurzen Zeit hier mehr gelernt, als dort die gefühlte Ewigkeit.“ Ich sehe nach oben in die Bäume, kleine Kreaturen springen in ihnen herum.

„Ich zeig dir etwas anderes, ja?“ Er sieht mich nachdenklich an und ich stimme zu. Wir verschwinden von diesem Ort und tauchen an einem anderen wieder auf. Wie funktioniert diese Seelenbewegung eigentlich? Meine Angst, wo wir auftauchen könnten, reißt mich aus dieser Überlegung. Aber dieser neue Ort ist so wunderschön. Meine Furcht und die ganzen Gedanken von zuvor, verflüchtigen sich sofort.

***

Ich sehe mich um und bin sprachlos vom Anblick, der sich uns bietet. Die große Masse vor uns glitzert so schön. Fragend sehe ich zu Paedrig, der lächelt – wie immer. „Also, das ist Lerre oder Wasser, viele nennen es auch einen See. Schau und da ist ein Korochni oder Berg, die höchste Spitze.“ Er zeigt auf etwas Hohes weiter weg. Um uns herum sind viele rote, runde Bäume. Das Gras – welches hier blau gefärbt ist – ist nur noch wenig zu sehen, dazwischen ist der Boden braun. „Die ganzen Bäume, nennt man Marubie oder Wald. Er bewuchert den Berg, auf dem wir auch stehen. Der Boden besteht aus…“

„Sand“, vervollständige ich seine Erklärung.

„Genau“, strahlt er mich an. Das Wasser funkelt im schönsten, reinen hellgrün. Ich laufe näher und berühre es. Es ist ein spannendes Gefühl, wie es durch meine Hände gleitet. Ich versuche es dabei festzuhalten, doch es gelingt mir nicht.

„Das ist so wunderschön. Ich habe mir damals immer versucht vorzustellen, wie es wohl auf anderen Planeten aussieht. Aber ich konnte es nicht, denn mir fehlte das Wissen.“ Ich laufe einige Schritte zurück und setze mich erschöpft in den Sand. Paedrig lässt sich ebenfalls neben mir nieder. Die Bergspitze erhebt sich vor uns, als ich meinen Blick vom Wasser nach oben schweifen lasse. Erschöpft schließe ich kurz meine Augen.

„Bist du müde?“ Ich nicke und beobachte ihn, wie er sich nach hinten fallen lässt. „Deine Seele braucht Ruhe. Die Zeit vergeht hier anders, als du es gewohnt bist … sie ist auf jedem Planeten unterschiedlich.“ Ich lege mich auch auf den weichen Untergrund. Dies ist ein so vertrautes Gefühl, ich schlafe sofort ein.

Alles wird schwarz in mir. Ich öffne meine Augen und sehe geschockt in die schwarzen Augen von Abial. Er erklärt mir, „dass er mich soeben erschuf und ich ihm Liebe beibringen soll!“  – Ich versuche mich zu bewegen, etwas zu sagen, doch es funktioniert nicht – Dann wird wieder alles kurz schwarz … Stechende Schmerzen durchfahren meine Seele immer und immer wieder … Abial verursacht sie. Er liegt auf mir, unsere Seelen sind verbunden und sein Lachen ist dabei so gemein. Er berauscht sich an meinem Leid und schlägt mir dabei ins Gesicht, sodass wieder alles schwarz wird.

„Aana!“ Awan steht vor mir. Er hat mich gerade vor Abial gerettet – mich aus dieser furchtbaren, dunklen Welt befreit und auf diesen schönen, hellen Planeten gebracht. Dennoch habe ich Angst vor ihm. Er ist mir fremd und seine Seele ähnelt meinem Erschaffer so sehr. Dann blicke ich in die wunderschönen, blauen Augen von dem Mann neben ihm. Seine Seele fasziniert mich sofort, sie ist so rein, so gut. „Das ist Paedrig“, sagt Awan. Ich spüre sofort viele Gefühle für ihn. Er strahlt etwas Besonderes aus. Er bietet mir seine Hilfe an, die ich dankend annehme.

Ich öffne endgültig meine Augen und bin schockiert über das, was gerade geschah. Ich habe so etwas noch nie erlebt – nicht, wenn meine Seele ruht. Panik steigt in mir auf, aber hier ist alles so schön hell. Es beeinflusst mein Innerstes. Ich habe viele schlimme Erfahrungen auf Ampledusia und Ekurima machen müssen. Wahrscheinlich werden mich diese Erinnerungen ewig verfolgen. Aber ich möchte das nicht mehr! Das hier muss ein Neuanfang sein!

Ich sehe zu Paedrig, der ruhig neben mir schläft. Durch seinen Anblick beruhige ich mich wieder und drehe mich zu ihm. Er öffnet seine Augen, sie sind so klar … ich kann dadurch direkt in seine wundervolle Seele sehen.

Wir reden sehr viel die nächsten Tage und bleiben an dieser herrlichen Stelle sitzen. Ab und zu schweben andere Seelen an uns vorbei. Wir beachten sie nur beiläufig und dennoch fallen mir ihre abfälligen Blicke auf. Paedrig versucht mich zu unterstützen, dass ich mit dieser Situation besser umgehen kann.

„Du kannst es sowieso nicht ändern. So bist du, du trägst daran keine Schuld!“ Mit dem Blick nach oben gerichtet, versuche ich mir seine Wörter zu verinnerlichen. „Außerdem gibt es noch einen anderen Grund, warum sie so schauen, aber das erkläre ich dir später.“

„Okay. Und hier bleibt es immer so hell?“

„Ja.“

„Aber wenn es nie dunkel wird, dann gibt es hier auch keinen Sternenhimmel?“, frage ich ihn enttäuscht.

„Da hast du recht, oft wechsle ich deswegen zu anderen Planeten.“

„Aber die sind doch dann immer dunkel, das ist frustrierend!“, erinnere ich mich noch ein wenig.

Er lacht so angenehm. „Nein, nicht auf allen, die meisten haben beides. Tag – und Nachtphasen.“ Ich sehe ihn fragend an und stolpere gedanklich über diese komische Phasenkombination. Böse Erinnerungen steigen dabei in mir auf, aber ich will sie nicht mehr beachten. „Also, am Tage sind sie hell, das macht dann die Sonne. Und wenn es dunkel ist, heißt es Nacht, dann kann man die Sterne sehen.“ Verträumt sieht er dabei nach oben.

Danach erzählt er mir viele andere neue Dinge. Erklärt mir unzählige Wörter, die ich noch nie hörte. Er spricht von seinen Erfahrungen … von Oronje und Raskar. Dass sie mehr Seelen erschaffen haben, als nur seine.

„Ich habe viele Koregne – Geschwister oder wie sie auch heißen, Brüder und Schwestern. Mit diesen Begriffen kommst du auf vielen Planeten zurecht! Auch mit ihnen verbindet mich ein Band.“ Sehr oft verwirren mich seine Worte, aber ich versuche mir alles zu merken. Nach und nach vergesse ich so vieles von dem, was ich davor erlebte. Meine Gedanken kreisen nur noch um die neuen Sachen, die er mir beibringt.

***

„Ich zeige dir jetzt einen Planeten, auf dem ich mich gerne aufhalte.“ Er berührt meine Hand und die Umgebung verändert sich. Der weiße Himmel wird blau.

„Das sieht schön aus! Wie funktioniert eigentlich diese Seelenbewegung?“

„Das kann man ganz einfach lernen. Du musst dir vorstellen, wo du hin möchtest. Dann konzentrierst du dich darauf und deine Seele bringt dich an die gedachte Stelle.“

„Das ist alles Wahnsinn, soviel Neues!“ Ich sehe mich um, dieses Mal fällt das Wasser aus gigantischer Höhe hinunter. Die Geräusche, die es dabei macht, sind für mich sehr ungewohnt laut.

„Das nennt man einen Oreti oder wie er hier heißt Wasserfall!“ Ich bekomme den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Es dauert eine Weile bis ich es schaffe, meinen Blick davon abzuwenden. Ich erschrecke und schrei kurz auf, denn um uns herum stehen viele fremde Seelen – ihre Körperhüllen sehen merkwürdig aus – aber sie beachten uns nicht. Sie sehen sich nur dieses faszinierende Wasser an.

„Was sind das für Kreaturen? Können Sie uns nicht sehen?“

„Was meinst du?“

„Na diese Seelen?“

„Nein, die meisten können uns nicht wahrnehmen.“

„Warum nicht?“

„Weil ihre stofflichen Empfindungen es nicht zulassen.“

Ich schüttle fassungslos den Kopf. „Sie sehen so anders aus, als wir … diese Körperhüllen, das Gesicht … Was ist das zwischen Mund und Augen? Das habe ich noch nie gesehen!“

„Sie nennen es Nase. Sie brauchen es für ihre Körperfunktionen. Ansonsten könnten ihre Seelen, diese Körper nicht benutzen und somit könnten Sie nicht auf diesem Planeten leben.“

„Das verstehe ich nicht. Warum bleiben sie nicht in ihrer eigentlichen Körperhülle? Wir sind doch auch so hier?“

„Wir besuchen diesen Planeten aber nur, wir leben hier nicht. Das ist ein Unterschied. Wenn du dich entscheidest, hier zu leben, kann deine Seele viel lernen. Das ist der Sinn an der Sache.“

„Aber ich lerne doch jetzt auch so sehr viel?“

„Es ist trotzdem etwas anderes. Meist ist auch nicht die komplette Seele hier. Sie kann sich teilen.“ Ich schaue ihn unglaubwürdig an. Langsam wird es mir zuviel. Ich bin voll mit Wissen! Er scheint das zu spüren: „Komm wir legen uns dort auf die Wiese und ruhen uns ein bisschen aus.“ Ich folge ihm auf die schöne, grüne Fläche und lege mich neben ihn.

„Ah, es ist Gras.“

„Ja.“ Er schließt seine Augen und ich mache es ihm nach.

Als ich sie wieder öffne, ist alles dunkel und ich zucke vor Schreck zusammen. Der Sternenhimmel und der eine Mond erhellen die Umgebung kaum. „Paedrig?“ Ich beginne zu zittern, weil ich die Orientierung verloren habe.

„Alles ist gut. Ich bin doch hier.“ Ich erkenne das Glitzern seiner Seele neben mir und beruhige mich wieder.

„Das ist also die Nacht?“

„Ja genau, ist das nicht fantastisch?“ Wieder so ein neues Wort!

„Die Sterne sind schön“, antworte ich zaghaft.

„Wenn ich ein Leben beginne, dann wird es hier sein. Man kann hier noch soviel ändern, die Seelen beeinflussen und viel lernen. Der Planet ist wundervoll!“ Wir genießen den Anblick der funkelnden Sterne, bis es wieder hell wird. Ich habe so etwas wunderschönes noch nie gesehen, wie Stück für Stück die Sicht besser wird. Der Oreti fällt dabei unermüdlich herab. „Soll ich dir noch etwas anderes zeigen?“

„Ja gerne.“ Mein Blick wandert noch ein letztes Mal zu den komisch aussehenden Wesen, die sich ebenfalls erneut versammelt haben, um das fallende Wasser zu betrachten. Paedrig nimmt meine Hand und die Umgebung verändert sich. „Was ist das denn für eine Farbe?“

„Cankalia oder Lila!“

„Das sieht ja komisch aus.“ Der ganze Himmel erstrahlt in dieser Farbe. Wir stehen auf einer großen, braunen Fläche und laufen bis sie endet. Vorsichtig sehe ich nach unten. Es ist außergewöhnlich, denn ich kann kein Ende sehen. „Was ist dort?“, frage ich neugierig.

„Lass uns doch nachsehen!“

„Wie?“ Er hält meine Hand weiter fest und springt einfach. Ich werde durch ihn mitgerissen und der sichere Boden verschwindet. Wir fallen eine ganze Weile, bis ich vor Furcht zu kreischen beginne. Paedrig umklammert meinen Körper und stoppt ruckartig den Fall. „Was machst du? Das ist furchtbar!“, schrei ich ihn an. Ich bin fassungslos. Dieses Gefühl, dort zu schweben, gefällt mir genauso wenig.

„Ich wollte es dir nur zeigen“, erklärt er geschockt und bringt uns wieder auf dem braunen Untergrund. Ich lass mich auf ihn fallen und zittere überall. „Awan fand das damals toll. Er ist sofort losgeflogen. Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass du so darauf reagierst.“ Er setzt sich neben mich und streichelt meine Hand. Ich brauche sehr lange, bis ich mich beruhige.

„Können wir weg von hier?“, bitte ich ihn.

„Ja natürlich!“ Das Lila verschwindet und der Himmel wird hellblau. Wir stehen erneut im Gras. Ich setze mich auf den weichen Untergrund und er setzt sich vor mich. „Es tut mir wirklich leid!“

Ich nicke ein wenig. „Ist schon gut, du konntest das nicht wissen. Sind wir wieder auf dem Planeten, auf den du einmal leben möchtest?“

Er lächelt: „Ja genau.“

Ich überlege, was ich ihn als nächstes fragen könnte. Dabei sehe ich ihn tief in seine schönen, blauen Augen und somit in sein Inneres. Dadurch fällt mir wieder etwas ein. „Warum haben wir diese Körperhülle, wenn unsere Seele eigentlich eine andere Gestalt hat?“

„Sie dient nur zum Schutz. Dort, wo du warst, brauchtest du es. Viele haben sich an diese Gewohnheiten angepasst, nutzen nun öfter ihre Körperhülle und finden es angenehm, ihre Seele auf diese Weise zu bewegen.“

„Du meinst laufen?“

„Ja. Die Seele in ihrer wahren Gestalt ist an nichts gebunden, so wie die damals im Akati.“

„Du redest so wunderschön“, platzt es aus mir heraus. Er lächelt, hebt seine Hand – ich zucke unterbewusst – und streicht sie mir durch die schwarzen Haare. Es ist ein vertrautes, angenehmes Gefühl. Ich genieße es und berühre seine hellen, weichen Haare. Aus den dunkelgrünen Bäumen, die um uns herum stehen, werden die Geräusche lauter. Ich drehe mich zu ihnen um die Ursache zu entdecken.

„Das sind Vögel. Sie zwitschern und leben in den Bäumen. Ich war auch schon einmal einer. Allerdings auf einem anderen Planeten, das hat Spaß gemacht.“ Begeistert blickt er dabei in den Himmel. Viele verschiedenfarbige Vögel bewegen sich auf wundervolle Weise von Baum zu Baum. Ihre Seelen strahlen genauso hell und unschuldig, wie Paedrig`s. „Fliegen ist toll“, spricht er in Gedanken versunken.

„Wie wird man zu einem Vogel?“

„In dem man ein neues Leben beginnt und sich vorher dieses aussucht.“

„Und dann?“

„Irgendwann stirbt der Körper. Dann ist die Seele endgültig frei und kann wieder ihre eigentliche Körperhülle annehmen.“

„Jede Seele hat eine?“

„Ja, je nachdem wie sie erschaffen wurde. Wenn eine Seele von mindestens zwei Seelen erschaffen wird, dann bildet sie sich automatisch. In deinem Falle, hat Abial für dich zuvor eine leere Körperhülle geformt.“

„Was meinst du?“

„Nicht jede Körperhülle muss von einer Seele besetzt sein, sie funktionieren auch einigermaßen ohne Inhalt.“

„Wovon redest du?“

„Von Hohlkörpern! Das Wort musst du kennen, Awan hat mir davon erzählt. Ihr hattet viele im Unterricht!“ Ich schüttle den Kopf, denn ich verstehe nichts davon.

„Du darfst nicht vergessen was war! Kannst du dich noch an Abial erinnern?“

„Nein, muss ich das?“

„Ja, sonst vergisst du auch das, was du dadurch in der Zeit gelernt hast. Und dann war es sinnlos!“ Traurig sieht er mich an. Dieser Blick passt nicht zu ihm, er entspricht nicht seiner Seele. „Aana? Hörst du mir noch zu?“

„Nein, ich bin müde.“ Ich lege mich auf die Wiese und schließe die Augen. Meine Seele beschäftigt sich noch weiter mit seinen ganzen Worten. Ich komme dadurch nicht zur Ruhe und öffne wieder meine Augen. Ein kleiner, gelber Vogel sitzt neben mir und starrt mich an. „Du kannst mich sehen?“ Er zwinkert mit dem einen Auge.

„Ja, er kann uns entweder richtig sehen oder er spürt nur unsere Seelen, das ist unterschiedlich.“ Ich sehe zu Paedrig, der neben mir liegt. Der Vogel zwitschert einmal laut auf und fliegt dann nach oben in den Baum zu den anderen. Beeindruckt sehe ich ihm nach. Das könnte ich mir auch vorstellen!

„Du sagtest was von endgültig, also wenn der Vogelkörper stirbt. Kann die Seele schon vorher woanders hin?“

„Ja natürlich. Das funktioniert, wenn sich der Körper ausruht. Die Seele muss, wenn sie dann wieder den Körper bewegen will, zurück in ihn. Es gibt da aber auch viele verschiedene Varianten und ich glaube nicht, dass du alle hören willst.“ Er lächelt mich dabei so liebevoll an. Ich kann meinen Blick nicht mehr von seinen Augen abwenden. Wir liegen eine Weile im Gras, sagen nichts und sehen uns einfach nur an, bis mir wieder eine Frage einfällt.

„Wie leben diese Seelen hier?“

„Sie haben Häuser. Sie sind so ähnlich wie unsere Bleiben, möchtest du eine sehen?“

„Ja gerne.“ Er nimmt meine Hand und wir stehen plötzlich in so einem Haus. „Kannst du dich einfach so überall hinbewegen?“

„Nein, hier wohnt meine Koregne Iva. Sie wollte unbedingt diese Erfahrung machen und ich besuche sie sehr oft! Bei ihr lernte ich auch diese anderen Worte, die ich dir noch nebenbei beibringe.“

„Welche anderen Worte meinst du?“

„Gras, Sonne, Baum … das sind alles Worte, die sie hier auf diesem Planeten benutzen. Hier lebten aber auch schon viele Seelen, deshalb wurden einige dieser Worte sowieso in unsere Sprache integriert.“

Ich sehe mir seine Schwester genauer an. Sie steckt in einem männlichen Körper. An manchen Stellen strahlt ihre Seele weiß durch die Hülle hindurch. Dabei verbindet beide eine dünne, glitzernde Linie. „Ist das euer Seelenband?“

„Ja genau, du kannst es sehen? Das ist ja toll.“

Sie läuft, ohne uns Beachtung zu schenken, weiter. „Aber sie sieht dich nicht, oder?“

„Nein, leider nicht. Ich habe ihre Seele schon oft berührt, aber ich dringe nicht durch. Einmal habe ich einen Gegenstand herunterfallen lassen. Sie bekam so sehr Angst davor, dass ich das nie wieder mache. Komm, ich zeige dir ihr Haus.“

Es ist schön eingerichtet und erstrahlt in vielen anderen Farben. „Das hier nennt sie Waschraum, sie reinigt dort ihre Körperhülle.“ Er zeigt auf das Zimmer, in dem der Mann gerade steht und sich seine roten Haare zurechtlegt. Ein anderer Mann läuft plötzlich zu Paedrig`s Koregne, umarmt und küsst die Körperhülle innig. Dabei verbindet beide ein dickes, funkelndes Band.

„Sie waren schon vorher in Liebe verbunden und haben sich hier wiedergefunden, ist das nicht wundervoll?“ Paedrig sieht mich anmutig lächelnd an. „Komm, ich zeig dir die restlichen Zimmer.“ Wir laufen weiter. Als eine Tür uns den Weg versperrt, erklärt er mir: „Dass es für uns HIER egal sein kann“! Wir gehen einfach hindurch und gelangen so in das nächste Zimmer. Er spricht viel, das alles ist mir zu komplex und ich verstehe nur wenig davon. Er spürt das und erklärt abschließend betont: „Und deshalb ist es gut, hier einmal ein Leben zu beginnen! Ich zeige dir jetzt noch etwas von Iniriaole.“

 „Von was?“ Er berührt meinen Arm und der Raum verschwindet. „Was möchtest du mir zeigen?“

Iniriaole. So heißt dieser Planet, auf dem auch ich mich momentan aufhalte!“ Bei seinen Worten schlage ich mir die Hände vor die Augen. Alles ist so hell, dass es mir kurz in der Seele weh tut. „Was hast du?“, fragt er besorgt.




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